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Wenn ein Ort zur Hauptfigur wird

23.02.2021 | For the Time Being

2018 drehte Regisseurin Salka Tiziana ihr Langfilmdebüt im andalusischen Mittelgebirge

Ein Name, den man sich merken sollte: Mit ihrem Abschlussfilm „For the Time Being" hat es die HFBK-Absolventin Salka Tiziana im vergangenen Jahr gleich bei mehreren internationalen Festivals ins Programm geschafft. Jetzt startet das Langfilmdebüt der Hamburgerin bei der Streaming-Plattform MUBI. Wir verraten euch, wie der Film entstanden ist.

Rückblick ins Jahr 2018: Salka Tiziana ist gemeinsam mit Kameramann Tom Otte und Oberbeleuchter Marvin Hesse unterwegs in der Sierra Morena in Andalusien. Es ist Juli und das Thermometer zeigt 46 Grad an. Viel heißer wird es nicht auf europäischem Festland. Die drei kundschaften eine Woche lang zum letzten Mal die Locations aus, in denen sie im August mit dem Rest des Teams für rund drei Wochen For the Time Being drehen werden, Tizianas Abschlussfilm an der Hochschule für bildende Künste Hamburg (HFBK). Die sengende Hitze ist später auch im Film zu sehen. In den Gesichtern der Schauspieler*innen – vor allem jedoch in den zahlreichen Schwenks über die triste und ausgedörrte Landschaft der Sierra Morena, die die eigentliche Hauptdarstellerin des Films ist.

HFBK-Absolventin Salka Tiziana

Aber warum dreht man seinen Abschlussfilm als Hamburgerin im südlichen Spanien? „Es ist kein autobiografischer Film. Ich habe jedoch einen engen Bezug zur Region, da meine Mutter und ihre Familie aus der Ecke kommen. Meine Großeltern waren Farmer und ich habe viele Sommer dort auf dem Land verbracht", verrät Tiziana. Aufgewachsen ist sie in Barcelona, studiert hat die heute 28-Jährige in Berlin, Hamburg und Buenos Aires.

Darsteller Jon Bader während der Dreharbeiten

Mit Anfang 20 ist sie nach vielen Jahren das erste Mal wieder ins andalusische Mittelgebirge gereist. Mit einem distanzierteren Blick, der neue Fragen nach dem Verhältnis und der Hierarchie zwischen Mensch und Natur aufgeworfen hat. Die Idee zum Film kam ihr nach ihrer Rückkehr – die Umsetzung folgte jedoch erst Jahre später an der HFBK in Hamburg.

Hier hat sie Kameramann Tom Otte (frisch gebackener Gewinner des Preises der deutschen Filmkritik 2020 für den Kurzfilm "For Reasons Unknown") kennengelernt, mit dem sie seitdem immer wieder zusammengearbeitet hat. Und der die richtigen Bilder für ihr Langfilmdebüt fand: "Wir teilen das Interesse, uns sehr genau mit konkreten Orten und ihrer Gestaltung auseinanderzusetzen und sie bei der Entstehung eines Films mit einzubeziehen – als Figur, nicht nur als Kulisse. Bei 'For the Time Being' haben wir nur mit natürlichem Licht gearbeitet und die Lichtverhältnisse im Vorwege sehr genau studiert", sagt Tiziana. "Genauso war es mit den Klängen und Geräuschen der Zikaden und des Wind, die in all ihren Variationen dem Ort eine eigene, vielschichtige Stimme geben", verrät die Filmemacherin. So entstehe im Film eine ganz bestimmte Atmosphäre, die der Landschaft im wahrsten Sinne des Wortes Leben einhaucht.

Dreharbeiten am Pool einer Finca im andalusischen Mittelgebirge
Bei 46 Grad im Schatten muss auch das Wasser weichen

Und die Menschen im Film? Die Story ist schnell erzählt: Eine Mutter aus Deutschland reist mit ihren beiden Söhnen zur Familie des Vaters in die Sierra Morena. Der Vater soll von einem anderen Ort aus nachkommen, doch der Flug wird gestrichen. Warum er alleine anreist, erfährt man nicht. Und so verbringen Mutter und Söhne die Zeit mit der spanischen Großmutter und Tante auf dem Land – geredet wird dabei kaum, eher innegehalten. „Der Titel 'For the Time Being' beschreibt diesen zeitlichen Zwischenzustand des Wartens. Und in diesem Stillstand lässt sich die Wahrnehmung der Umgebung schärfen", sagt Tiziana. Der gleiche Effekt, der parallel auch beim Publikum nach einer Weile einsetzt.

Larissa (Melanie Straub) ist mit ihren beiden Söhnen bei der Schwiegermutter zu Besuch
In Gedanken: Schwiegermutter Pilar (Pilar del Pino)

Der Film hat bereits eine kleine Festivaltour hinter sich. Er war beim Max Ophüls Preis 2020 gleich fünfmal auf großer Leinwand zu sehen, feierte seine internationale Premiere beim Filmfest in Rotterdam (wo auch die Kuratoren der Streaming-Plattform MUBI auf das Werk aufmerksam geworden sind) und lief zuletzt im Rahmen der Berlinale bei der Woche der Kritik. Kein schlechter Start für einen Debütfilm. Doch Festivals und Kinos haben sich aktuell ins digitale verlagert – und das Streaming-Angebot bei MUBI könnte vorerst die letzte Möglichkeit sein, „For the Time Being" zu sehen. In diesem Sinne: Nutzt die Chance!

Credits: Filmstills: Tom Otte
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